1. Einführung

Wer kennt sie nicht? Socrates, Plato und Aristoteles. Die wohl größten Vordenker der Erziehung und des Unterrichts, wie wir es in der westlichen Welt heute kennen. Waren es anfangs noch religiöse und kulturelle Motive, nach denen Schüler ausgebildet wurden, so standen doch bald Philosophie, Mathematik und Sport im Mittelpunkt. Spätestens zu Zeiten des römischen Reiches wurden große Bereiche der Naturwissenschaften und Sprachen unterrichtet. Im Laufe der Jahrtausende erweiterten sich die Inhalte stetig. Die Methoden wurden verbessert, Erziehungssysteme an die Gegebenheiten angepaßt. Eines blieb jedoch grundlegend unverändert: ein Individuum (der Lehrer) vermittelt sein eigenes Wissen, Erfahrungen und Fertigkeiten einem (oder mehreren) anderen Individuum (dem Schüler).

Scharten sich anfangs noch die Lehrwilligen um einen Lehrmeister um seinen Ausführungen zu lauschen, so zeigte sich jedoch schon bald, daß es anderer Mittel bedarf, um den Wissensdurst vieler zu stillen. Mit Aufkommen des Buchdrucks war diese Möglichkeit geschaffen. Anfangs nur für wenige, heute für jeden zugänglich. Erst viel später taten sich neue Möglichkeiten mit Radio und Fernsehen auf. Auch hier war die Reichweite zu Beginn begrenzt, ist aber heute keine Thema mehr. Dann kam der Homecomputer mit Ihren multimediale Lernumgebungen. Jetzt schließlich ist es das weltumspannende Internet, daß mehr und mehr als Informationsträger entdeckt wird. Bedenkt man, daß laut Studien in Deutschland 20% aller Haushalte über einen PC verfügen (Quelle: OnlineMonitor), so ist die Voraussetzung für das Lernen mit dem Internet für viele in greifbare Nähe gerückt. Glaubt man den Prognosen der Marktforscher, so sind die Weichen für eine multimediale Informationsgesellschaft auf Internetbasis schon gestellt.

Aber ist es damit getan, Informationen zu sammeln und sie dem Einzelnen gebündelt zur Verfügung zu stellen? Wohl kaum. Sowohl für die klassischen computerbasierenden Lernsysteme, als auch für Angebote in Netzen wie dem Internet gilt es einige grundlegende Regeln zu beachten. Wie ein "normaler" Lehrer auch, muß der Entwickler eines solchen Systems Themen wie Lernpsychologie und Pädagogik Beachtung schenken. Zusätzlich sind Kenntnisse in der Softwareergonomie und den technischen Möglichkeiten des Mediums erforderlich. Informationen müssen zielgruppengerecht aufbereitet und in entsprechender Form verpackt werden. Erst dann ist eine sinnvolle Anwendung möglich.

Inwieweit ein solches System dann Interaktivität aufweist hängt vom Medium, dem Lehrstoff und in entscheidendem Maße vom Können des Entwicklers (Teams) ab. Bei all diesen Betrachtungen ist jedoch wichtig, nicht den Lernenden als Menschen zu vergessen, der im Mittelpunkt stehen muß.

In den folgenden Punkten dieses Kapitels wird der Bogen vom Lernen als solches über die Anwendung in computerbasierten Lernumgebungen hin zu Rahmen und Zielen dieser Arbeit gespannt werden.

1.1 Lernen als lebenslange Aufgabe

Ein jeder von uns ist zu lebenslangem Lernen "verdammt". Manche sehen es als notwendiges Übel, andere haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht. Sei es nun im alltäglichen Leben oder im beruflichen Alltag, sich ständig ändernde Technologien und zwischenmenschliche Verhaltensweisen fordern die Anpassung und das Verständnis des Einzelnen. Wer hier nicht mitziehen kann, der bleibt allzuleicht auf der Strecke. Dies gilt nicht nur für den Lernenden, sondern auch in gleicher Weise für den Lehrenden.

Ergibt sich das Lernen im sozialen Bereich mehr oder minder von selbst, so ergeben sich im Zusammenhang mit der beruflichen Aus- und Weiterbildung immer häufiger Probleme. Der klassische Frontalunterricht Lehrer/Schüler birgt hier einige wesentliche Nachteile:

  • Hoher Kostenaufwand durch Arbeitsausfall und Lehrgangskosten
  • Zeitliche Abstimmung mehrerer Schüler notwendig, da der Einzelunterricht zu teuer ist.
  • Die Interessen des Einzelnen werden im Gruppenunterricht häufig vernachlässigt.
  • Unterrichtsqualität ist entscheidend durch die Fähigkeit des Lehrers geprägt.

Gerade größere Firmen und Universitäten müssen sich mit diesen Problemen auseinander setzen. Im Falle der Firmen wurde dazu übergegangen eigene Lehrinstitute zu schaffen um den eigenen Angestellten eine innerbetriebliche Weiterbildung zu ermöglichen. Bei Universitäten ist dies etwas schwerer in den Griff zu bekommen. Angesichts sinkender Finanzmittel bei gleichzeitig steigenden Studentenzahlen war und ist in vielen Hochschulen der überfüllte Seminarraum Realität. Aus eben diesen Gründen wurde im computerunterstützten Training "der Weisheit letzter Schluß" gesehen.

1.2 Computerbasiertes Training, der Ausweg?

Seit etwa Ende der 50 Jahre werden Computer schon zu Ausbildungszwecken herangezogen. Anfang der 60er Jahre begannen auch Psychologen und Pädagogen, sich intensiv mit den Methoden des programmierten Lernens und des programmierten Unterrichts (PU) zu beschäftigen. Die wesentlichsten Impulse gingen dabei von einem Professor der Psychologie, B.F. Skinner, aus. Dieser hatte schon 1954 Thesen entwickelt, nach denen jede Wissensvermittlung systematisiert werden kann, indem man den Lehrstoff in eine gut strukturierte Menge von Lehreinheiten zerlegt und diese dann in einem ebenso systematisierten Darstellungs-, Frage- und Antwortenprozeß dem Lernenden vermittelt.

Erste Programmiersprachen wurden entwickelt um das Konzept des PU in Form von Lernprogrammen zu verwirklichen. Trotz weiter verbesserter Lernsoftware und anspruchsvoller multimedialer Peripherien blieb der durchschlagende Erfolg aus. Dies ist einigen entscheidenden Faktoren zu zuschreiben.

  • Der konzeptionelle Irrtum, daß der Frontalunterricht mit Lehrer durch einen Frontalunterricht mit Computer ersetzt werden kann, wurde erst nach längerer Zeit erkannt.
  • Da Lernsysteme dieser Zeit auf Großrechenanlagen liefen, mußte der Teilnehmer über ein gehöriges Maß an EDV-Kenntnissen verfügen und eine relativ unkomfortable Benutzeroberfläche hinnehmen.
  • Ausgenommen großer Unternehmen und Universitäten konnte sich niemand die notwendigen Technologien für die Realisierung eines solchen Systems leisten.

Mitte der 70er Jahre mit Aufkommen der Mikrocomputer wurden dann die Voraussetzungen geschafften, um der computerorientierten Ausbildung neue Impulse zu geben. Besonderes Augenmerk wurde der Ergonomie der Systeme geschenkt, und spätestens mit Aufkommen der fensterorientierten Betriebssysteme war es auch dem Laien möglich, ein Lernsystem nach kurzer Einarbeitungszeit zu benützen. Mit stetig steigender Leistung fielen zugleich die Preise. Die Arbeitsplatzrechner war Realität geworden. Auch aus den konzeptionellen Fehlern der Anfangsjahre hatte man gelernt. Anstatt den Lehrer zu ersetzen wurde jetzt versuchte, den Unterricht durch Computereinsatz zu bereichern, zu ergänzen und zu unterstützen.

In den 80ern kamen dann die mulitmediafähigen PCs hinzu. Mittels Leistungsfähiger Autorenwerzeuge und dem Massenspeicher CD-ROM war es dem Entwickler von Lernsoftware möglich, anspruchsvolle Ergebnisse zu erzielen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Die Produktion eines Lernsystems wurde rentabel. Der Wunsch kam auf, die Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) auf die Erstellung von Lehr-/Lernsystemen anzuwenden. Einerseits denkt man dabei an den Einsatz von Expertensystemen zu einer viel weitergehenden Unterstützung bei der Produktion von Lernprogrammen als dies heutige Autorensysteme leisten können. Zum anderen möchte man dem Lernenden ein flexibleres und speziell abgestimmtes (adaptives) Wissensangebot vermitteln. Die KI-Forschung ist noch immer in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Vor allem fehlen noch die entsprechenden Methoden und ausreichend Rechenleistung um ein System für den Massenmarkt zu realisieren.

Neue Chancen werden nun dem CBT (Computerbasiertes Training) im Zusammenhang mit dem Internet gegeben. Einige interessante Gesichtspunkte geben dabei Anstoß dazu, diesen Bereich genauer zu betrachten:

  • Die verteilte Struktur des Internets ermöglicht es zum einen ortsunabhängig und zum anderen mit der Gruppe kommunizierend einen computerbasierenden Unterricht durchzuführen.
  • Der Frontalunterricht verschmilzt mit dem Einzelunterricht Schüler/Computer. Je nach Bedarf und Neigungen kann die entsprechende Unterrichtsform gewählt werden.
  • Durch die zentralisierte Verteilung der Unterrichtsinhalte ist es möglich stoffliche Zusammenhänge ohne großen Aufwand auf aktuellem Stand zu bringen.
  • Eine multimediale Umgebung ist plattformunabhängig auf allen bestehenden Betriebssystemen verfügbar. Hohe Kosten durch Portierungen auf andere Systemen entfallen somit.
  • Durch ständige Verfügbarkeit ist eine zeitliche Unabhängigkeit für die Schüler gegeben.
  • Hard- und Softwarevoraussetzungen halten sich in Grenzen.

Was abzuklären bleibt ist, in welchen Bereichen die Konzepte der CBT auf das Internet und seine Technologien übertragbar sind. Genau an dieser Stelle soll die vorliegende Diplomarbeit ansetzen.

1.3 Rahmen und Ziele dieser Arbeit

Vorab sollen einige Bereiche abgegrenzt werden, um die Ziele der Diplomarbeit genauer zu definieren. Diese Arbeit dient nicht dazu, einen umfassenden und tiefgründigen Einblick in die Planung und Gestaltung sowie die Theorie der CBT's zu geben. Hierzu sei auf das Literaturverzeichnis bzw. die Literaturempfehlungen verwiesen. Es wird auch nicht die Effektivität von Lernumgebungen erforscht. Auch nicht im Mittelpunkt stehen die Lehrtheorien und Methoden, wie sie von der Psychologie und Didaktik definiert werden. Vielmehr wird ein Pfad in die teilweise sehr verschlungenen Wege der interaktiven Lern- und Lehrsysteme geebnet, so daß der Interessierte alles notwendige mit auf den Weg bekommt, um in der Lage zu sein, selbständig ein Lehrsystem im Internet zu planen und implementieren.

Nach einer kurzen Einführung über die Lernpsychologie werden die verschiedenen Lernsystemarten kurz vorgestellt. In diesem Kontext wird auch auf die planungstechnischen Implikationen eingegangen.

Anschließend wird ein Zusammenhang zu interaktiven Lernsystemen im Internet hergestellt. Dabei werden aber auch von den CBTs abweichend andere Möglichkeiten des interaktiven Lernens mit und im Internet in die Betrachtung mit einbezogen. Abschließend werden die theoretisch beschriebenen Konzepte anhand zweier webbasierter Lernprogramme verwirklicht.

Wenn im weiteren Verlauf vom Internet geredet wird, dann bezieht sich dies auf alle unter diesem Begriff zusammengefaßten Teilgebiete wie WWW, Email, USENET usw. . Wird ein besonderer Bereich angesprochen, so wird dieser auch explizit genannt werden.